Pateras werden jene kleinen Boote genannt, mit denen sich immer wieder Menschen auf eine lebensgefährliche Reise von Afrika zu den Vorposten Europas begeben – in der Hoffnung auf ein besseres Leben in Würde.
Nicht wenige bezahlen die waghalsige Flucht vor Armut und Hunger mit dem Leben.
Angesichts der Zerbrechlichkeit der für die Überfahrt genutzten kleinen offenen Boote, grenzt es fast an ein Wunder, daß trotzdem immer wieder sogenannte Armutsflüchtlinge – oft nach tagelangen Irrfahrten auf dem Meer – an den Küsten der Kanarischen Inseln landen.
Als am Abend des 3.April 2004 eine Patera, nach der weiten Reise von Afrika, an der felsigen Küste direkt vor unserem Wohnort im Süden Teneriffas leck schlug, waren wir plötzlich mit dem Elend konfrontiert, das wir sonst nur aus Zeitungs- oder Fernsehberichten kannten.
Mehr als zehn Menschen hatten die Überfahrt mit dem Boot gewagt und überlebt.
Zurück blieb am Strand das zerschlagene Boot, das die Menschen und ihre Hoffnungen so weit übers Meer getragen hatte, bis vor unsere Tür…..
Teile dieses Bootes sind in der Assemblage „Patera“ verarbeitet. Die Arbeit wurde 2004 auf Teneriffa begonnen und 2008 in Deutschland auf Eiderstedt fertiggestellt.
Im Video links, geht es unter anderem um "Patera" - in einem Kurzgottesdienst der St. Peter Kirche im März 2021
Eine neue Arbeit mit dem Titel "Agua amarga" (Bitteres Wasser) ist fertiggestellt.
Die Stele mit den Maßen 176 x 83 x 40 cm entstand zwischen November 2017 und März 2018 .
Material :
Holz - im Zentrum ein Glasbehälter gefüllt mit Meer-Wasser von der Spanischen Küste - Stacheldraht - ein digitales Zählwerk .
Das regelmäßig manuell aktualisierte Zählwerk zeigt die Anzahl der seit 2014 im Mittelmeer und im Meer vor Cadiz ertrunkenen Bootsflüchtlinge an.
Die Zahlen werden zweimal wöchentlich von der IOM (International Organization for Migration)
erhoben.
Aktuell sind bis zum 16. 12. 2023
28.320
Männer, Frauen, Kinder bei ihrer Flucht übers Mittelmeer ertrunken
Die idee zu einem weiteren Objekt das sich mit Sterben und Leiden der Bootsflüchtlinge befasst, gab es schon länger.
Konkret begann die Arbeit an der Holz/Metall-Konstruktion mit audiovisuellen Elementen im Januar 2018.
Nach fünf Monaten war das Objekt mit dem Titel "Kreuzfahrt" in seiner Grundform fertiggestellt.
Im Enstehungsprozess bildete - neben der künstlerisch handwerklichen Arbeit - die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Flucht, Leiden und Sterben eine besondere Herausforderung.
Nach kleineren Ergänzungen und Korrekturen war die Arbeit Ende Juli 2018 abgeschlossen.
Nicht abgeschlossen ist allerdings das Sterben im Mittelmeer.
Allein während meiner siebenmonatigen Arbeit am Projekt "Kreuzfahrt" sind 1.514 Männer, Frauen und Kinder bei ihrer Flucht übers Mittelmeer ertrunken.
Turm und "Leichen-Berg" befinden sich auf einem Sockel - ergänzt durch ein Display auf dem fortlaufend Nachrufe auf im Mittelmeer ertrunkene Migranten angezeigt werden.
Würde man die Leiber der seit 2014 im Mittelmeer ertrunkenen Männer, Frauen und Kinder vor dem Leuchtturm Westerheversand aufhäufen, ergäbe das einen Leichen-Berg von ca. 20 m Höhe.
Gerade diese unfassbaren Größenordnung verleitet dazu, die Toten nur noch als Masse wahrzunehmen.
Das Display mit den (fiktiven) Nachrufen, lenkt den Blick wieder auf die einzelnen Menschen, mit ihren Geschichten.
Die Nachrufe stammen von der Seite www.unsere-toten.eu .
Zu der von Sea-Watch organisierten Aktion heißt es unter anderem:
"...Doch im Mittelmeer ertrinken keine Nummern und Zahlen, sondern Menschen.
Wir wissen kaum etwas über sie.
Die europäische Abschottungspolitik hat ihnen nicht nur das Leben, sondern auch ihre Identität genommen.
Auch wir kennen diese Menschen nicht. Aber eines wissen wir mit Sicherheit: Sie haben Freunde und Familie, Ängste und Träume, Vorlieben und Leidenschaften. Sie sind Menschen wie du und ich. Sie
haben ein von Europa geschaffenes, anonymes Massengrab im Mittelmeer nicht verdient..."
Die Verwendung der Nachrufe als Teil der Skulptur "Sehzeichen" erfolgt mit Einverständnis des Sea-Watch e.V. .
Zum Hintergrund dieser Arbeit:
Handys oder Smartphones sind inzwischen zum Alltagsgegenstand geworden. Die Tatsache, dass auch viele Migrant*innen über moderne Mobiltelefone verfügen wird von ausländerfeindlichen Kreisen immer wieder mal thematisiert.
Mit der Absicht sie zu diskriminieren wird diesen Frauen und Männern, die bei der Flucht über Mittelmeer ihr Leben riskieren, gelegentlich unterstellt, sie
seien eigentlich „reiche Wirtschaftsflüchtlinge“, weil sie sich sonst nicht so teure Smartphones leisten könnten.
Das Smartphone ist oft das Einzige, was den Menschen nach der Flucht aus ihrer Heimat geblieben ist.
Ohne internetfähiges Handy wäre der weite, gefährliche Weg nach Europa auch kaum zu bewältigen.
Das Handy wird genutzt, um zu navigieren, die Flucht zu organisieren, Sprachbarrieren zu überwinden, um Kontakt zu Familie und Freunden im Herkunftsland aufrecht zu erhalten oder Familienmitglieder wiederzufinden, die auf der Flucht an unterschiedlichen Orten gestrandet sind.
Rettungsorganisationen die im Mittelmeer schiffbrüchige Flüchtlinge retten, berichten regelmäßig von Notrufen, die sie per Handy erreichen. Der Standort der in Seenot befindlichen Boote kann in dann über eine Anwendung wie Google Maps ermittelt werden.
So retten die Smartphones möglicherweise Leben - oder sie versinken auch mit den Menschen im Meer..
Die Arbeit wurde erstmals im September 2018 im Rahmen von "Kunst im Packhaus" öffentlich gezeigt.
Die überwiegend positive Reaktion der Besucher, die Fülle der Gespräche war überwältigend.
Auch das ergänzend gezeigte Bild und Videomaterial der zivilen Seenotrettungs-Oganisation Sea-Watch stieß auf großes Interesse.
Das Objekt "Kreuzfahrt" wurde im Dezember 2020 bei einem Brand restlos zerstört..
Mitte Juni 2019 konnte ich die vierte Arbeit zum Thema Migration und Sterben im Mittelmeer fertigstellen.
Es sollte der Versuch sein, die unfassbare Dimension des Leidens mit künstlerischen Mitteln greifbar vor Augen zu führen. Während bei "Patera" und "Kreuzfahrt" noch symbolische Elemente die Wirkung der Arbeit bestimmten, wurde bei der Stele "Agua amarga" durch die ständig aktualisierten Zahlen das Ausmaß des Sterbens konkret benannt.
Bei der im Januar ´19 begonnenen Arbeit "Sehzeichen" war meine Absicht, bei der Konkretisierung noch einen Schritt weiter zu gehen.
Die Grundidee war, in verkleinerter Form vor einem Leuchtturm einen Berg mit etwa 18.500 toten Männern, Frauen und Kindern darzustellen. Das ist die Zahl der seit 2014 auf der Flucht im Mittelmeer ertrunkenen Menschen.
Um eine Ahnung von den realen Dimensionen zu vermitteln habe ich sowohl beim Turm, als auch bei den menschlichen Körpern, auf eine möglichst maßstabsgerechte
Darstellung ( 1:87 )geachtet .
Dem Maßstab folgend hat der Leuchtturm mit ca. 48 cm Höhe in etwa der Höhe von Eiderstedts bekanntestem Seezeichen Westerheversand . Die verwendeten Figuren
etsprechen realen Menschen durchschnittlicher Größe.
Maße der Skulptur 143 x 65 x 43 cm / Material: Metall, Kunststoff, separates Display mit Standfuß.
Die fünfte Arbeit zum Thema Flucht und Meer habe ich im Januar 2020 fertiggestellt.
Titel:
"Kein Leichentuch ist groß genug"
Material:
Öl auf Leinwand 60 x 80 cm.
Die Leinwand weist Verletzungen und Brandlöcher auf - im Zentrum einige gerade noch erkennbare Schriftzeichen aus dem Afrikanischen Alphabet.
Die Zeichen geben den in deutsch verfassten Text wieder, dessen Anfang Titel der Arbeit wurde.
„Notruf“ (2022) 130 x 60 x 90 cm
Diverse Materialien - 100 Smartphones – Multimediaelemente*
*Quellen der verwendeten / bearbeitete Videoausschnitte:
UNICEF Deutschland „Syrien-Krieg 6 Jahre in 60 Sekunden“
Frame Film „Flucht-Fuir“ نزوح by Mano Khalil
Sea-Watch „HoldYourBreath“ TUA „Wenn ich gehen muss“
Eiderart unterstützt als Bündnispartner
united4rescue